Elephants in Rooms – Monitor 7

Bhavana Rajendran (Bangalore – O-Ton: Englisch und Malayalam)

Wir reden nicht darüber, wer den 50 Jahre alten Regenbaum da draußen gepflanzt hat.

Alles wird ein Ende nehmen.

Die Natur schlägt eben zurück.

Lieben uns unsere Katzen wirklich?

 

Wollen wir nicht einen Tee trinken? Tee. Lasst uns Tee trinken! Es ist Zeit für Tee. Wollen wir nicht einen Tee trinken? Wir trinken Tee. Ich schaue einfach ein bisschen aus dem Fenster.

 

Anuja Ghosalkar (Bangalore – O-Ton: Englisch)

Ich werde jetzt eine Minute lang schluchzen.

 

Ich sehe den Baum, wie er ruhig dasteht, er bezeugt mein Leben.

Er flüstert und sagt: Ich bin einsam.

Der Baum mag den Schatten mehr als die Sonne, seltsam.

Der Baum schaut durch dieses Fenster in mein Leben.

Die Wurzeln des Baumes führen mich heim in meine Vergangenheit.

 

Vermisst das Pferd sein Zuhause? Wie viele Galoppschritte entfernt liegt sein Zuhause? Sehnt sich das Pferd an einem kalten, regnerischen Tag nach der Wärme seines Stalls? Das Pferd staunt, wie vornehm das Leben ist. Das Pferd mag seine Scheuklappen, weil sie Schutz bieten vor der Fremdheit dieses unbekannten Landes. Das Pferd versucht, die Schritte zurück nach Hause zu zählen, aber es hat keinen freien Willen. Es galoppiert in die Richtung, in die es geschickt wird. Wie viele Galoppschritte entfernt liegt das Zuhause des Pferdes? Wie lange wird es laufen müssen, ohne zu wissen, wann sich die Türen endlich öffnen?

 

Berit Stumpf (Berlin/Bayrischzell – O-Ton: Deutsch)

Ich kann von hier aus die bodentiefen Fenster meiner Nachbarn sehen. Ich sehe den warmen Schein ihrer teuren Lampen, die um diese Zeit langsam angehen – eine nach der anderen.

Ich sehe die blaue Stunde, die jetzt draußen beginnt.

Ein Mann auf einem teuren Fahrrad, der nach Hause fährt.

Und diese alten Gaslaternen, die als einzige noch von einer anderen Zeit berichten, als es hier mal ein Gaswerk gegeben hat und das hier noch ein Arbeiterviertel war und es noch keine Wessis gab im Prenzlauer Berg.

Ich sehe Kinder auf dem Spielplatz spielen, da unten.

Früher waren das mal meine Kinder und ich konnte ihnen von hier aus zuwinken.

 

Der Elefant fungiert als Metapher oder Beispiel für einen Sachverhalt, der sich unmöglich leugnen oder übersehen lässt – wie dieses Kinderfoto hier von mir und meiner Schwester in unserem Kinderzimmer, aufgenommen 1975 oder so. Man sieht ihn eindeutig, auch wenn er verschwommen ist und im Hintergrund. Der Elefant in unserem Kinderzimmer war eindeutig dieser Wandfries, mit diesen zehn Figuren, die sich an den Händen halten – dunkle Figuren – es gab auch ein Kinderlied dazu, das ich noch in der Schule gelernt habe, ein Abzählreim… Warum hing dieser Wandfries bis in die späten siebziger Jahre hinein in unserem Kinderzimmer? Und niemand sah, dass das falsch war? Warum posieren meine Schwester und ich davor mit Kuscheltieren und lächeln so unschuldig in die Kamera – ich zumindest? Und warum haben meine liberalen Eltern uns davorgesetzt? Warum fand auch der Kunstlehrer, dieser linke Hobbyfotograf, der das Bild gemacht hat, überhaupt nichts falsch daran? Fand er sogar diese Kulisse ideal für unser Porträt? Warum hat sich nie jemand für dieses Bild geschämt? Der Elefant im Raum ist das dunkle Make-up, das meine Mutter mir regelmäßig an Fasching ins Gesicht geschmiert hat, wenn ich als Spanierin oder Zigeunerin oder Indianerin gegangen bin und auch die verlängerten Lidstriche, die ich meiner Tochter noch ins Gesicht gemalt habe, wenn sie als Japanerin oder Inderin gegangen ist. Der Elefant im Raum – das bin eindeutig ich.

 

Sarah Thom (Berlin, O-Ton: Englisch)

Ich werde hier etwas sitzen und den Tag vorüberziehen lassen.

 

Wir sprechen nie über unser Strafregister, unsere kriminelle Vergangenheit und die Verbrechen, die wir begangen haben.

Wir erwähnen nie unseren rassistischen Großvater und bemühen uns, ihn zu verschweigen.

Niemand kennt unsere Gedanken und weiß, wie gewalttätig sie sind.

 

Sean Patten (Brandenburg – O-Ton: Englisch)

Einen guten Tag wünsche ich! Guten Tag, der Herr! Guten Tag, gnädige Frau!

 

Ich werde jetzt die Teetasse anstarren, als ob da drin die Lösung all meiner Probleme läge, und dann melancholisch seufzen.

 

Schluss jetzt! 3, 2, 1, stopp! Tee? Tee! Ich brauche einen Tee. Hallo? Würden Sie mir noch einmal nachgießen? Würden Sie mir noch einmal Tee nachgießen? Haben Sie Tee? Hallo? Egal, welche Sorte.

 

Ich liebe Tee. Ich habe schon Tee getrunken, als ich noch nicht einmal laufen konnte. Oder sprechen. Das liegt in der Familie. 1894 eröffnete ein britischer Geschäftsmann namens Joseph Lyons einen Laden, in dem er Tee, belegte Brote und Kuchen verkaufte, und es kam sehr gut an. Es dauerte nicht lang und in ganz Großbritannien eröffneten unzählige dieser Teeläden. Das Geschäft wuchs und expandierte, und Joe Lyons wurde mit der Verpflegung der britischen Armee beauftragt. Die hatte in Malawi ihre eigene Teeplantage. Der Betrieb entwickelte sich zum ersten multinationalen Lebensmittelkonzern der Welt. Und in einem dieser Teeläden arbeitete meine Großmutter als „Nippy“, also als “flinke“ Kellnerin, alle gleich gekleidet in Schürze und Häubchen. Diesen Job hat man bekommen, wenn man ein freundliches Auftreten und elegante Hände hatte. Elegante Hände. Im gleichen Laden arbeitete mein Großvater an der Theke. So haben sie sich kennengelernt, sie heirateten und bekamen fünf Kinder – darunter meine Mutter. Ohne Joe Lyons und sein multinationales Tee-Imperium gäbe es mich also nicht.

 

Aus diesem Fenster kann man etwas von der Landschaft sehen, etwa 50 Kilometer süd-östlich von Berlin.

Ich komme hierher in meine Datsche, um in der Natur zu sein.

Ich kann den Gemüsegarten der Nachbarn sehen. Die Erde ist so feucht, dass hier nichts als Sumpfgras wächst.

Am Horizont sehe ich den Waldrand, wo vor nicht allzu langer Zeit, vor der Lebzeit nur eines Menschen, eine der blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkrieges ausgetragen wurde: die Kesselschlacht von Halbe. Noch heute werden Knochen im Wald gefunden.

Ich sehe zwei Pferde hinter einem orangenen Plastikzaun.

 

Was für ein wunderschönes Pferd Sie da haben, mein Herr! Ein wunderschönes Pferd. Das würden Sie sicher nicht gegen den gesamten Tee in China eintauschen.

Was für ein Pferd! Das würden Sie sicher nicht gegen den gesamten Tee in China eintauschen. Das würden Sie sicher nicht gegen den gesamten Tee in China eintauschen.

Das würden Sie sicher nicht gegen den gesamten Tee in China eintauschen.

Das würden Sie sicher nicht gegen den gesamten Tee in China eintauschen.

 

Zhao Chuan (Fengxian, Shanghai – O-Ton: Mandarin)

Ich setze mich und schaue nach draußen.

Ich sehe grüne Gemüsebeete.

In den Beeten sind Insekten, die ich nicht sehen kann.

Ich sehe einen weiten Himmel, den ich in der Stadt normalerweise nicht sehen kann.

Im Winter sehe ich viele trockene Zweige.

 

Ich sehe einen Elefanten in meinem Zimmer. Mit seinen dicken Beinen steht er auf meinem Bett. Seine Stoßzähne haben sich in meinem Waschbecken verkeilt. Seine Ohren schlagen mir fast ins Gesicht. Dieser Elefant! Wie kommt der bloß in mein Haus? Elefant, was machst du da? Er ist riesig. Mit seinem Hinterteil stößt er gegen die Wand.

 

Es heißt, dass dieses Land vor 5.000 Jahren noch im Meer lag. Erst nach und nach entstand auf angespülten Muscheln das Festland, auf dem sich menschliches Leben entwickeln konnte. Einige Siedlungen sind wieder verschwunden, andere konnten wachsen und gedeihen. Man sagt, unter uns liegt ein Band aus Muscheln, das über zehn Kilometer lang ist. Sie sind tief in den Erdschichten verschlossen, völlig isoliert von uns. Wir sind erst letztes Jahr hierhergekommen. Und manchmal sitzen wir am Fenster und schauen nach draußen. Aber das Meer sehen wir nicht.

 

Trinken wir einen Tee. Jetzt ist es aber höchste Zeit.