Elephants in Rooms – Monitor 5

Berit Stumpf (Berlin/Bayrischzell – O-Ton: Deutsch)

Ich werde jetzt versuchen, mein Familienerbe aufzupolieren und mich daran zu erfreuen. Mit Long-Term Silver Polish.

 

Wenn wir Tee trinken, dann reden wir nicht darüber, dass in unserer Familie eigentlich gar kein Tee getrunken wurde, außer man war krank.

Dass Tee als ein Getränk der feineren Gesellschaft galt. Und dass wir nur damit angefangen haben, Tee zu trinken, um dazuzugehören.

Wir reden nicht über die jüdische Familie, in der meine Oma Lisbeth gelernt hat, wie man Tee richtig trinkt und serviert. Und was dann mit dieser jüdischen Familie passiert ist.

Wir reden nicht über den Krieg und Opa Fritz und warum er sich vor zwölf Jahren das Leben genommen hat.

Wir reden auch nicht über Ranjid Kumar, unser indisches Patenkind, und was er alles in Kauf nehmen musste für das Geld, das mein Vater ihm monatlich überwiesen hat – für seine christliche Erziehung.

Wir reden nicht gern über das, was uns von anderen trennt.

Das viele Geld zum Beispiel, das gerade auf unserem Konto gelandet ist, ohne dass wir irgendwas dafür tun mussten.

 

Johanna Freiburg (Berlin – O-Ton: Deutsch)

Ich werde jetzt an etwas denken und mit dem Taschentuch einen Schrei unterdrücken. Ich werde ein frisches Taschentuch benutzen.

 

Ich habe mich bereit gemacht. Ich kann unmöglich noch mehr bereit sein!

 

Von da, wo ich stehe, sehe ich eine windzerfetzte Europafahne.

Ich sehe auf dem Dach einen großen Mercedes-Stern, der sich unaufhörlich um sich selber dreht. Der Mercedes-Stern ist eine Werbung für ein Autohaus, das es nicht mehr gibt. Es ist vor Kurzem an den Stadtrand gezogen.

Wenn ich mich strecke, sehe ich die oberste Spitze des Fernsehturms auf dem Alex, gebaut in der DDR, in einem Land, das es nicht mehr gibt.

 

Werden Sie mich einladen?

Jetzt, wo ich die Schleife so neckisch gebunden habe?

Für eine Fahrt mit Ihrem neuen Pferd?

Werden Sie mich einladen?

Für eine Fahrt mit Ihrem neuen Pferd?

Werden Sie mich einladen für eine Fahrt mit Ihrem neuen Pferd?

 

Lynn Fu (New York – O-Ton: Englisch)

Von meinem Sitzplatz aus kann ich viele Bäume draußen vor dem Fenster sehen. Hinter den Bäumen ist eine Straße, in der ein paar Autos parken. Ich weiß nicht, ob das die Autos meiner Nachbarn und Nachbarinnen sind. Ich glaube schon. Und auf der anderen Straßenseite stehen Häuser. Es ist ziemlich ruhig, man hört nur hin und wieder ein paar Autos vorbeifahren, so wie jetzt. Die Gegend hier unterscheidet sich sehr von meiner Heimat in Shanghai; alles sieht anders aus. In Shanghai habe ich in einem Wohnblock gewohnt, auch das war ein Unterschied. Ja, es ist viel ruhiger hier, und es gibt viel weniger Leute. In Shanghai konnte ich meine Nachbarn auf dem Balkon beobachten, am Wäscheständer oder sogar beim Sport. Aber hier sehe ich kaum mal Leute vors Fenster treten – vor die Tür, meine ich. Ich weiß einfach nicht, wer sie sind, aber ich weiß, dass sie hier wohnen. Und sie reden. Sie lachen. Sie essen. Genau wie ich.

Oh, hast du sowas eigentlich schon mal gesehen? Das ist eine Art Teewärmer. Ich schalte ihn an und stelle die Teetasse drauf, damit sie warm bleibt. Toll, oder?

 

Also, wenn wir Tee trinken, dann reden wir nicht darüber, warum wir uns beim letzten Mal am Flughafen nicht richtig verabschiedet haben.

Wann warst du das letzte Mal am Flughafen? Vielleicht vor einem Jahr? Oder vor zwei Jahren? Ich war vor zwei Monaten am JFK, und es war viel weniger los als früher. Ja, es war total anders.

Wir sprechen auch überhaupt nicht gern darüber, wie viel wir zugenommen haben und wie schwer das Abnehmen fällt. Mit dem Alter lege ich immer mehr an Gewicht zu und werde es nur sehr schwer wieder los – obwohl ich genauso viel esse und genauso viel Sport treibe wie früher.

Und wenn wir Tee trinken, dann sprechen wir nicht darüber, wieso Großmutter 1948 nicht ihrem Vater nach Taiwan gefolgt ist. Wenn sie es getan hätte, dann wären weder meine Mutter noch ich jemals auf die Welt gekommen.

Ich würde auch sagen, dass handschriftliche Briefe heutzutage kaum noch ein Thema sind. Weißt du noch, wann du zuletzt einen Brief statt einer Mail geschrieben hast? Was und wem hast du geschrieben?

 

Nicht zu wissen, wann wir sterben, bedeutet nicht, dass wir ewig leben. Wann hast du das letzte Mal über deinen eigenen Tod nachgedacht? Hat es dir Angst gemacht? Hast du jemals darüber nachgedacht, wie oft du noch den Vollmond erleben wirst, bevor dein Leben vorbei ist? Ist dir bewusst, dass das tatsächlich eine ganz konkrete Zahl ist? Es ist nicht endlos.

 

July Yang (Nantou, Shenzen – O-Ton: Kantonesisch und Suzhou Dialekt)

Wenn wir Tee trinken, gibt es Dinge, über die wir nicht reden.

Zum Beispiel darüber, wie sehr ich meine Eltern liebe. Zum Beispiel, wann ich heiraten oder Kinder haben werde.

Auch nicht über Elektroautos. Wie umweltfreundlich sie im Vergleich zu herkömmlichen Autos wirklich sind.

Oder über ältere Leute und die Frage, wie deren Sexleben im Alter aussieht.

Darüber redet niemand.

Ah! Und über Philosophie reden wir auch nicht.

 

Jetzt werfe ich mein Haar zurück und räume etwas auf, um die Zeit totzuschlagen.

 

Bastian Trost (Berlin – O-Ton: Deutsch)

Ich ziehe jetzt ein Kleidungsstück an, das ich selber hergestellt habe… Also teilweise zumindest. 10, 9, 8, 7, 6, 5, 4, 3, 2, 1, los!

 

Ich schaue hier in den Osten.

Da hinten ist der Osten. Hinter den Häusern, da vorne, ist die Grenze gewesen. Die Mauer.

Ich schaue quasi vom Westen in den Osten. Also nur ein paar hundert Meter von hier sind die Grenzsoldaten langgelaufen, in ihrer Uniform.

Jetzt guckt mich nur noch diese Pappel an. Die Pappel hat sie alle gesehen wahrscheinlich, die ganzen Soldaten. Das ist eine Pyramidenpappel, eine Silberpappel.

Auf Pappelholz ist auch die Mona Lisa gemalt.

Ich schaue auf ‘ne Pappel und ‘ne ehemalige Grenze.

 

 

Macht die Pferde bereit!

Macht die Pferde bereit, wir gehen aus! Sattelt die Pferde!

Macht die Pferde bereit, wir gehen los!

Wo sind die Pferde?

Wo sind die Pferde?

Wenn sie uns alles wegnehmen, dann bleiben uns immer noch… die Pferde.

 

Lynn Fu (New York – O-Ton: Englisch)

Von meinem Sitzplatz aus kann ich viele Bäume draußen vor dem Fenster sehen. Hinter den Bäumen ist eine Straße, in der ein paar Autos parken. Ich weiß nicht, ob das die Autos meiner Nachbarn und Nachbarinnen sind. Ich glaube schon. Und auf der anderen Straßenseite stehen Häuser. Es ist ziemlich ruhig, man hört nur hin und wieder ein paar Autos vorbeifahren, so wie jetzt. Die Gegend hier unterscheidet sich sehr von meiner Heimat in Shanghai; alles sieht anders aus. In Shanghai habe ich in einem Wohnblock gewohnt, auch das war ein Unterschied. Ja, es ist viel ruhiger hier, und es gibt viel weniger Leute. In Shanghai konnte ich meine Nachbarn auf dem Balkon beobachten, am Wäscheständer oder sogar beim Sport. Aber hier sehe ich kaum mal Leute vors Fenster treten – vor die Tür, meine ich. Ich weiß einfach nicht, wer sie sind, aber ich weiß, dass sie hier wohnen. Und sie reden. Sie lachen. Sie essen. Genau wie ich.

Oh, hast du sowas eigentlich schon mal gesehen? Das ist eine Art Teewärmer. Ich schalte ihn an und stelle die Teetasse drauf, damit sie warm bleibt. Toll, oder?

 

Also, wenn wir Tee trinken, dann reden wir nicht darüber, warum wir uns beim letzten Mal am Flughafen nicht richtig verabschiedet haben.

Wann warst du das letzte Mal am Flughafen? Vielleicht vor einem Jahr? Oder vor zwei Jahren? Ich war vor zwei Monaten am JFK, und es war viel weniger los als früher. Ja, es war total anders.

Wir sprechen auch überhaupt nicht gern darüber, wie viel wir zugenommen haben und wie schwer das Abnehmen fällt. Mit dem Alter lege ich immer mehr an Gewicht zu und werde es nur sehr schwer wieder los – obwohl ich genauso viel esse und genauso viel Sport treibe wie früher.

Und wenn wir Tee trinken, dann sprechen wir nicht darüber, wieso Großmutter 1948 nicht ihrem Vater nach Taiwan gefolgt ist. Wenn sie es getan hätte, dann wären weder meine Mutter noch ich jemals auf die Welt gekommen.

Ich würde auch sagen, dass handschriftliche Briefe heutzutage kaum noch ein Thema sind. Weißt du noch, wann du zuletzt einen Brief statt einer Mail geschrieben hast? Was und wem hast du geschrieben?

 

Nicht zu wissen, wann wir sterben, bedeutet nicht, dass wir ewig leben. Wann hast du das letzte Mal über deinen eigenen Tod nachgedacht? Hat es dir Angst gemacht? Hast du jemals darüber nachgedacht, wie oft du noch den Vollmond erleben wirst, bevor dein Leben vorbei ist? Ist dir bewusst, dass das tatsächlich eine ganz konkrete Zahl ist? Es ist nicht endlos.