Elephants in Rooms – Monitor 14

Sean Patten (Brandenburg – O-Ton: Englisch)

Wenn wir Tee trinken, gibt es einiges, über das wir nicht sprechen.
Wir reden nicht über die Person, die die Teeblätter gesammelt hat.
Wir reden nicht darüber, wieso unsere Großmutter nicht aus Ägypten zurückgekommen ist. Wir reden nicht über die Kuh, von der die Milch stammt, die dem Tee die richtige Temperatur gibt.
Wir reden nicht darüber, was Onkel Tony zugestoßen ist.
Und wir reden auch nicht darüber, wie es uns wirklich geht. Nicht wirklich.
Wir trinken einfach nur Tee.

Schaut jemand zu? Ist da jemand? Falls ja, lege ich uns ein bisschen Musik auf. Die Art Musik, die man in wohlhabenden Häusern in England gespielt hat – zu einer Zeit, als dieser Wohlstand von der Sklaverei ermöglicht wurde. Sklaverei… Versklavte Menschen aus Afrika haben den Zucker produziert, der den Weg in englische Teetassen fand. Und damals, in den wohlhabenden Häusern, hörten die Leute diese Art Musik.

Zhao Chuan (Fengxian, Shanghai – O-Ton: Mandarin)

Ich ordne meine Kleider und setze meinen Hut auf. Ich fühle mich ein bisschen unwohl und schaue aus dem Fenster.

Ich kann von hier die Basisstation sehen. Sie sieht aus wie ein Dorn, der in den Himmel sticht, ein düsterer Anblick. Wir kommen nicht mehr ohne sie aus, wir sind auf sie angewiesen. Diese Art von Infrastruktur ist unentbehrlich. Von dort kommen elektromagnetische Wellen. Sie definieren unser Verhältnis zur Welt.

Ich sehe viel grünes Gemüse und Bambus, der im Wind weht.
Dieser weite Himmel! Den sieht man in der Stadt nie.
Und die vielen Insekten. Ich sehe sie nicht, aber ich weiß, dass sie da sind.

Da ist das Pferd wieder! Wackeres Kerlchen! Ich hoffe, wir wir werden irgendwann zurückkehren in die Stadt.
Da ist das Pferd wieder! Wackeres Kerlchen! Ich hoffe, wir wir werden irgendwann zurückkehren in die Stadt.
Da ist das Pferd wieder! Wackeres Kerlchen! Ich hoffe, wir wir werden bald zurück sein in der Stadt.

 

July Yang (Nantou, Shenzen – O-Ton: Kantonesisch und Suzhou Dialekt)

Da draußen auf der Einkaufsstraße, dieses traditionell aussehende Dach, das ist gar nicht alt, sondern nur auf alt gemacht. Und diese Bäume hängen alle an Schläuchen, die sie ernähren. Sie wachsen nicht aus der Erde, sondern auf Bauschutt. Wo sollen da auch die Nährstoffe herkommen? Ohne die Schläuche würden die Bäume sterben. Auch die Häuser sahen früher anders aus. Als sie noch in Privatbesitz waren hatten die Fassaden farbenfrohe Mosaike oder Kacheln. Doch seit die Häuser von großen Bauunternehmen übernommen wurden, wurde ein einheitlichen Stil eingeführt und nun zeigen sie sich nur noch so: grau-weiß, fad, austauschbar.

Wenn wir Tee trinken, reden wir nicht darüber, was wir in uns aufnehmen. Zum Beispiel: verarbeitete Lebensmittel. Was ist da eigentlich drin und wo stammt das her? Keine Ahnung. Und wie sieht es mit Obst und Gemüse aus? Wie wird das angebaut und von wem? Und woher kommt das Fleisch? Wer hat die Hühner, Kühe und Schafe aufgezogen? Keine Ahnung. Klar, irgendwas dazu steht hier auf der Packung, aber was sagt das schon aus? Wir produzieren jeden Tag so viel Müll. Wo bleibt der am Ende? Er landet auf der Mülldeponie, und danach?
Und alle wollen unsere Daten. Selbst wenn man sich etwas zu essen bestellt, muss man zustimmen, dass die persönlichen Daten verwendet werden. Und wir stimmen zu. Aber was passiert mit unseren Daten? Plötzlich bekommst du Anrufe von Fremden, die deinen Namen, deine Adresse und deine Personalausweisnummer kennen. Es ist natürlich bequem: „Ich stimme zu“, „Ich stimme zu“, „Ich stimme zu“. Und überall gibt es heute Sicherheitskontrollen. In U-Bahnen, Zügen, in Museen. Und man lässt all die Kontrollen über sich ergehen. Sind die eigentlich wirklich legal? Was geben wir im Namen der Sicherheit und der Bequemlichkeit alles auf?
Ach ja, und was den Müll angeht, es sind die Müllleute, die unsere Stadt sauber halten. Alle anderen machen einen großen Bogen um die Müllstationen. Aber die dort arbeiten: Wie riechen die?
Und dann noch diese Frage: Kommt mein Cousin wirklich nach seinem Vater? Irgendetwas scheint da nicht zu stimmen. Jetzt geht er schon auf die Uni und niemand erwähnt es mehr.
Und auch das Versprechen, das man Hongkong 1997 gemacht hat: dass der Lebensstil „in den nächsten 50 Jahren so beibehalten wird“ – hat man das nicht schon längst gebrochen?

Wusstest du, dass das Kantonesisch, das ich spreche, ganz anders ist als Putonghua, Wu, Minnan und Hakka? Das sind alles chinesische Sprachen, aber sie unterscheiden sich deutlich in Aussprache, Grammatik und Wortschatz. Und trotzdem denkt man bei Chinesisch nur an eine Sprache. Ich spreche Kantonesisch, Putonghua und Wu und gelte nicht als mehrsprachig. Jemand, der Französisch, Spanisch und Portugiesisch spricht, hingegen schon? Die meisten Menschen in China sehen selber Afrika als Einheit. Wir reden auch von „unseren afrikanischen Brüdern“, „afrikanischen Kindern, die Hunger leiden“, „dem armen Afrika“. Wow, als wären Länder wie Äthiopien, Südafrika und Somalia alle gleich. Sind sie nicht. So viele verschiedene Stämme, Kulturen und Sprachen, die nicht zählen. Es ist als ob, wer dunkle Haut hat, automatisch aus Afrika kommen muss, auch wenn es vielleicht jemand aus den USA oder Europa ist. Aber du bist nun mal unser afrikanischer Bruder. Weil du Schwarz bist. Wenn hingegen jemand aus Südafrika kommt und weiße Haut hat, geht umgekehrt niemand davon aus. Wusstest du, dass in China bis heute Weiß als Hautfarbe bevorzugt wird? Warum ist das so? Woher kommen diese Vorurteile?

Bhavana Rajendran (Bangalore – O-Ton: Englisch und Malayalam)

Wir reden nicht darüber, wer den 50 Jahre alten Regenbaum da draußen gepflanzt hat.
Alles wird ein Ende nehmen.
Die Natur schlägt eben zurück.
Lieben uns unsere Katzen wirklich?

Wollen wir nicht einen Tee trinken? Tee. Lasst uns Tee trinken! Es ist Zeit für Tee. Wollen wir nicht einen Tee trinken? Wir trinken Tee. Ich schaue einfach ein bisschen aus dem Fenster.

Anuja Ghosalkar (Bangalore – O-Ton: Englisch)

Ich werde jetzt eine Minute lang schluchzen.

Ich sehe den Baum, wie er ruhig dasteht, er bezeugt mein Leben.
Er flüstert und sagt: Ich bin einsam.
Der Baum mag den Schatten mehr als die Sonne, seltsam.
Der Baum schaut durch dieses Fenster in mein Leben.
Die Wurzeln des Baumes führen mich heim in meine Vergangenheit.

Vermisst das Pferd sein Zuhause? Wie viele Galoppschritte entfernt liegt sein Zuhause? Sehnt sich das Pferd an einem kalten, regnerischen Tag nach der Wärme seines Stalls? Das Pferd staunt, wie vornehm das Leben ist. Das Pferd mag seine Scheuklappen, weil sie Schutz bieten vor der Fremdheit dieses unbekannten Landes. Das Pferd versucht, die Schritte zurück nach Hause zu zählen, aber es hat keinen freien Willen. Es galoppiert in die Richtung, in die es geschickt wird. Wie viele Galoppschritte entfernt liegt das Zuhause des Pferdes? Wie lange wird es laufen müssen, ohne zu wissen, wann sich die Türen endlich öffnen?

Simon Will (Berlin/Esquinzo, Fuerteventura – O-Ton: Englisch)

Ich sehe zu, wie das Licht sich ändert.
Ich sehe den Schnee schmelzen.
Ich sehe, wie die Nacht anbricht.

Der Elefant im Raum ist, dass es kein Historiendrama gibt. Wenn man die Geschichte in Teile zerlegt, dann kann man etwas verbergen hinter den einzelnen Kriegen, Seuchen und wechselnden Herrschenden. Man kann die Vergangenheit hinter einem großen Elefanten verbergen, so dass es scheint, als ob alles anders geworden ist und sich etwas verändert hat.
Der Elefant im Raum ist, dass es immer Leute gegeben hat, die hoch oben aus ihren Elfenbeinturm über den Elefanten hinweg sehen konnten. Und dass es immer Leute gegeben hat, die versuchten mitzuschwimmen in den Erzählungen halb vergessener Geschichte.
Der Elefant im Raum ist, dass man sich immer hinter jemand anderem verstecken kann. Niemand will den ersten Stein geworfen haben, aber es ist einfach zu behaupten, wer es war.
Der Elefant bin ich. Ich hebe den Stein von irgendjemandem anderem auf und werfe ihn weiter, hinein in den Verlauf der Geschichte. Der Elefant ist, dass wir Teil eines ununterbrochenen Zusammenhangs sind und darin feststecken – wir bleiben an Gesprächsthemen hängen, die uns gefangen halten; die uns daran hindern, das zu sehen, was hinter der letzten Epoche der Geschichte auf uns gewartet hat.

(singt „Where Did You Get That Hat?”)
Woher hast du diesen Hut?
Woher hast du diesen Hut?
Und die Kachel, woher sie wohl ist?
Elegant ist sie
Und modisch obendrein?
Das wäre auch was für mich,
der Hut gefällt mir gut.
Wo ich auch hin gehe, würde man mich grüßen.
‚Woher hast du diesen Hut?‘

Wie ich zu dem Hut kam,
ist seltsam und lustig.
Mutter starb und wollte mir
ihr Hab und Gut vermachen.
Als sie mir das Testament vorlasen,
haben sie mir trocken gesagt:
Wenn du das Geld annehmen willst,
dann musst du diesen Hut tragen.

Woher hast du diesen Hut?
Woher hast du diesen Hut?
Und die Kachel, woher sie wohl ist?
Elegant ist sie
Und modisch obendrein?
Das wäre auch was für mich,
der Hut gefällt mir gut.
Überall würde man mich grüßen.
‚Woher hast du diesen Hut?‘

Wo ich auch hin gehe, würde man mich grüßen.
‚Woher hast du diesen Hut?‘
‚Woher hast du diesen Hut?‘