Elephants in Rooms – Monitor 12

Anuja Ghosalkar (Bangalore – O-Ton: Englisch)

Ich werde jetzt eine Minute lang schluchzen.

Worüber niemand beim Teetrinken spricht…
Die Dinge, über die man beim Teetrinken nicht spricht…
Die Untertasse unter der Teetasse.
Den Preis von nicht ganz so süßem Zucker.
Den Teeverkäufer, der keine Pause nimmt, um selbst zu nippen.
Die Teetasse, die an viele Lippen geführt wurde, bevor meine sie berühren.
Die Flecken auf dem Boden der Teetasse, die mich daran erinnern, dass jemand vor mir hier war.
Das Gewicht der leeren Teetasse, das sich anfühlt wie das Gewicht der Einsamkeit und die Leere in meinem Leben.

Ich hab den zuckrigen Keks zum Einweichen in den heißen Tee getunkt, dabei sollte er nicht völlig breiig werden und sich nicht unwiderruflich in den Tiefen der Teetasse auflösen. Dieses Spiel aus heißem Tee, weichem Keks, weichem Tee und heißem Keks hat mir als Fünfjährige viel Freude bereitet. Ich hab dieses Spiel geliebt. Heißer Tee, weicher Keks. Weicher Tee, heißer Keks. Aber ich habe mich oft beschwert: „Ich mag keine Milch. Von Milch muss ich mich übergeben.“ Aaji (Großmutter) hat uns Tee gekocht – nur, damit wir Milch trinken. Sie hat ganz ernst behauptet: „Tee ohne Milch ist schwarz. Und wenn man schwarzen Tee trinkt, dann wird man… Nun ja, dann wird man Schwarz.“ Als Fünfjährige hat mich das verdutzt, aber ich hab mir einen Reim darauf gemacht: „Schwarzer Tee, weiße Milch, weiße Milch, schwarzer Tee, trink den Tee für den Zucker, Keks weg, noch einen Keks, weiße Milch, schwarzer Tee, schwarze Milch, weißer Tee, trink den Tee für den Zucker, Keks weg, noch einen Keks, schwarze Milch, weißer Tee, weiße Milch, schwarzer Tee, weißer Tee, schwarze Milch, trinkst du schwarzen Tee, dann wirst du Schwarz.“

 

Sharmistha Saha (Bombay – O-Ton: Englisch, Bengali und Hindi)

Man hat mich gebeten, eine Haube zu tragen, wenn ich am Fenster stehe. Darum trage ich nun diese Haube. Ich stehe am Fenster und bereite mich darauf vor, rauszugehen. Zumindest sieht es das Skript so vor.

Ich säe gerade vor der Kamera Knoblauchsamen aus. Hast du schon mal Knoblauch-Chutney gegessen? Knoblauch-Chutney mit Paratha-Brot schmeckt sehr gut. Knoblauch-Chutney passt nicht zu Darjeeling-Tee, aber es passt zu den Teesorten, die in Tontassen serviert werden oder auch zu Cutting-Chai. Knoblauch-Chutney passt ausschließlich zu diesen zwei Varianten. Darjeeling-Tee ist zu niveauvoll und hochwertig. Günstiger Tee von der Straße – der Cutting-Chai – dazu Knoblauch-Chutney und Paratha-Brot – sehr lecker! Cutting-Chai – mein Favorit. Knoblauch-Chutney. Und Paratha-Brot.

Von meinem Fenster aus kann ich in die Küche der gegenüberliegenden Wohnung schauen.
Von meinem Fenster aus schaue ich oft in diese Küche.
Von meinem Fenster aus beobachte ich eine Frau in der Küche, die Roti zubereitet.
Von meinem Fenster aus sehe ich, dass in der Küche dieser Wohnung die Frau oft von ihrem Mann geschlagen wird.

Ich habe seit Jahren keine so mustergültigen Pferde mehr besessen.
Ich habe seit Jahren keine so mustergültigen Pferde mehr besessen.
Ich habe seit Jahren keine so mustergültigen Pferde mehr besessen.
Ich habe seit Jahren keine so mustergültigen Pferde mehr besessen.
Ich habe seit Jahren keine so mustergültigen Pferde mehr besessen.

 

Simon Will (Berlin/Esquinzo, Fuerteventura – O-Ton: Englisch)

Ich sehe zu, wie das Licht sich ändert.
Ich sehe den Schnee schmelzen.
Ich sehe, wie die Nacht anbricht.

Der Elefant im Raum ist, dass es kein Historiendrama gibt. Wenn man die Geschichte in Teile zerlegt, dann kann man etwas verbergen hinter den einzelnen Kriegen, Seuchen und wechselnden Herrschenden. Man kann die Vergangenheit hinter einem großen Elefanten verbergen, so dass es scheint, als ob alles anders geworden ist und sich etwas verändert hat.
Der Elefant im Raum ist, dass es immer Leute gegeben hat, die hoch oben aus ihren Elfenbeinturm über den Elefanten hinweg sehen konnten. Und dass es immer Leute gegeben hat, die versuchten mitzuschwimmen in den Erzählungen halb vergessener Geschichte.
Der Elefant im Raum ist, dass man sich immer hinter jemand anderem verstecken kann. Niemand will den ersten Stein geworfen haben, aber es ist einfach zu behaupten, wer es war.
Der Elefant bin ich. Ich hebe den Stein von irgendjemandem anderem auf und werfe ihn weiter, hinein in den Verlauf der Geschichte. Der Elefant ist, dass wir Teil eines ununterbrochenen Zusammenhangs sind und darin feststecken – wir bleiben an Gesprächsthemen hängen, die uns gefangen halten; die uns daran hindern, das zu sehen, was hinter der letzten Epoche der Geschichte auf uns gewartet hat.

(singt „Where Did You Get That Hat?”)
Woher hast du diesen Hut?
Woher hast du diesen Hut?
Und die Kachel, woher sie wohl ist?
Elegant ist sie
Und modisch obendrein?
Das wäre auch was für mich,
der Hut gefällt mir gut.
Wo ich auch hin gehe, würde man mich grüßen.
‚Woher hast du diesen Hut?‘

Wie ich zu dem Hut kam,
ist seltsam und lustig.
Mutter starb und wollte mir
ihr Hab und Gut vermachen.
Als sie mir das Testament vorlasen,
haben sie mir trocken gesagt:
Wenn du das Geld annehmen willst,
dann musst du diesen Hut tragen.

Woher hast du diesen Hut?
Woher hast du diesen Hut?
Und die Kachel, woher sie wohl ist?
Elegant ist sie
Und modisch obendrein?
Das wäre auch was für mich,
der Hut gefällt mir gut.
Überall würde man mich grüßen.
‚Woher hast du diesen Hut?‘

Wo ich auch hin gehe, würde man mich grüßen.
‚Woher hast du diesen Hut?‘
‚Woher hast du diesen Hut?‘

 

Zhao Chuan (Fengxian, Shanghai – O-Ton: Mandarin)

Es gibt grundsätzlich eigentlich nichts, worüber wir beim Teetrinken nicht reden.
Es kommt ganz darauf an, mit wem wir Tee trinken.
Es gibt grundsätzlich eigentlich nichts, worüber wir beim Teetrinken nicht reden können. Aber mit manchen reden wir auch gar nicht.

Jetzt ist es wirklich Zeit für einen Tee. Jetzt ist es aber höchste Zeit.
Trinken wir einen Tee!

Ich trinke Tee.

 

Bhavana Rajendran (Bangalore – O-Ton: Englisch und Malayalam)

Wollen wir nicht einen Tee trinken? Tee? Lasst uns Tee trinken. Wollen wir nicht einen Tee trinken? Es ist Zeit für Tee. Wollen wir nicht einen Tee trinken?

Meine Mutter sagt, die erste Tasse Tee am Morgen ist kostbar. Sie muss perfekt sein. Sie sollte richtig heiß sein; halb Milch, halb Wasser. Zucker – nicht zu viel, nicht zu wenig, und stark sollte der Tee sein! Er macht dich wach, bereitet dich auf den Tag vor und er gibt dir ein Glücksgefühl. Mein Vater bereitet meiner Mutter jeden Morgen ihre erste Tasse Tee zu. Und meine Mutter sitzt auf genau diesem Holzstuhl – ein Bein ist angewinkelt, das andere hängt locker herunter, ohne den Boden zu berühren. Und dann schließt sie die Augen, denkt an nichts und nippt immer wieder an der großen Tasse. Immer zur gleichen Uhrzeit, jeden Tag. Es ist ihre Lieblingszeit am Tag. Mein Großvater hat meiner Großmutter nie Tee zubereitet. Nicht ein einziges Mal, bevor sie gestorben ist.

Ich sehe so viele Autos auf dem Parkplatz.
Die Kinder haben keinen Platz zum Spielen.
Zwischen den Gebäuden ist kein Platz.
Überall Kabel und Rohre.
Der Stamm von einem Kokosnussbaum.
Die Küche meiner Nachbarn,
ihr Wohnzimmer,
ihr Balkon.
Ich weiß nicht, wie meine Nachbarn heißen.

Die Pferde, die Pferde, die Pferde sind da.
Die Pferde sind da.
Was für eine tadellose Pferderasse. Die Pferde sind da.
Die Pferde sind da, die Pferde sind da.
Zahme Pferde. Sanftmütige Pferde. Die Pferde sind da. Sattelt die Pferde.
Sattelt die Pferde.
Sattelt die Pferde.
Die Pferde sind da. Die Pferde sind da. Sie sind hier. Die Pferde.
Sattelt die Pferde.
Sattelt die Pferde.
Sie sind hier. Die Pferde. Die Pferde sind da.
Sattelt die Pferde.
Sie sind hier. Die Pferde.
Die Pferde sind da. Sie sind bereit.
Sattelt die Pferde. Die Pferde sind da. Sie sind hier. Die Pferde sind da. Die Pferde sind da.

 

Sean Patten (Brandenburg – O-Ton: Englisch)

Ich bin eine Stunde raus gefahren aus Berlin, um hier in der Natur zu sein.
Aber hier ist es nicht natürlich. Es gibt Pflanzen, aber alles, was ich sehe, wurde von Menschenhand geformt.
Ich sehe Bäume, die gepflanzt wurden, um Grundstücke abzutrennen und Besitz zu markieren.
Da drüben sehe ich ein mit Schilf bewachsenes Stück Land, das darauf wartet, dass der Grundstückpreis ansteigt, damit sich ein Hausbau lohnt.
Da ist der Komposthaufen meiner Nachbarn, wo Grasschnitt und misslungene Karotten verrotten.
Und da ist ein Holzstapel. Holzscheite, die darauf warten, verbrannt zu werden. Genug für zwei oder drei Winter.
Vor allem sehe ich, wie sich das Land langsam aber sicher wieder in die Sumpflandschaft zurückverwandelt, die es schon immer gewesen ist.

Sollen wir über den Elefanten im Raum sprechen? Ist das der Elefant im Raum? Oder das? Natur. Kolonisiert und erobert. Ist es nicht so, mein Freund? Bin ich der Kolonisator? Ich meine: von diesem Dorf? Landkreis Dahme-Spree. Leute wie ich kommen her und kaufen sich hier ein Wochenendhaus. Ich gehöre nicht zur einheimischen Gattung. Ich spreche nicht mal wirklich die Sprache. Ich bin der Elefant im Raum. Ich bin der Elefant in diesem Dorf. Bin ich die Gentrifizierung; bin ich der Brandstifter? Ja? Ich nehme das Dorf ein. Schritt für Schritt. Leute wie ich machen das. Außenstehende. Meine Nachbarn dort drüben hatten ein wunderschönes Haus am Wasser, aber der westdeutsche Eigentümer hat vor kurzem seine Besitzansprüche aus Zeiten vor der DDR geltend gemacht. Deshalb sind sie in das kleine Haus dort drüben gezogen. Das alles haben sie den Fremden zu verdanken, den Elefanten im Raum – Leuten wie mir.